Ein Kind muss Geduld beweisen, um den Test zu bestehen und zwei Marshmallows zu erhalten.

Warten können – eine Tugend von vorgestern?

Ob an der Bushaltestelle oder anderswo: Unser Leben ist voll mit kürzeren und längeren Wartezeiten. Aber weshalb empfinden wir diesen Zustand oft als unangenehm?

Kennen Sie den Zusammenhang zwischen Marshmallows und der Psychologie des Wartens? Beim berühmten Marshmallow-Test wird Kindern ein Stück der verlockenden Schaumzuckerware serviert und dann die Wahl gelassen: Entweder sie essen das eine Stück sofort. Oder sie warten einige Minuten mit dem Essen und kriegen dafür noch ein zweites. Das Internet ist voll mit herzerwärmenden Videos von Kindern, die sich im Angesicht eines Marshmallows zu beherrschen versuchen. Doch warum fällt es ihnen so schwer, diese kurze Wartezeit auszuhalten.

 

Nicht alle können warten

Um das zu verstehen, muss man unsere Hirnstrukturen kennen. Zum einen verfügen wir über das sogenannte limbische System, das «emotionale, warme Hirn». Dieses steuert alle überlebenswichtigen Funktionen. Das limbische System funktioniert heute noch genauso wie vor tausenden Jahren – und zwar ab Geburt. Zum anderen ist da der präfrontale Kortex, das «rationale, kalte Hirn». Warten können heisst, ein Bedürfnis oder eine Lust vorerst aufzuschieben, zugunsten eines längerfristigen Ziels. Und dafür ist das kalte Hirn verantwortlich, das sich im Laufe der ersten 25 Lebensjahre nach und nach entwickelt. Kinder müssen währenddessen erst lernen, das warme Hirn zu kontrollieren.

 

Der verblüffende Langzeiteffekt

In langfristigen wissenschaftlichen Studien hat man einen interessanten Zusammenhang entdeckt: Kinder, die erfolgreich waren im Marshmallow-Test, waren später auch als Erwachsene erfolgreicher. Sie erreichten eine bessere Ausbildung und hatten weniger psychische Probleme. Warten zu können ist also eine sehr wichtige Fähigkeit – für Kinder wie für Erwachsene.

 

Zu lange gewartet: bald abgehängt?

Es sollte uns darum zu denken geben, dass wir diese Fähigkeit zunehmend verlieren. So führt heute der allgegenwärtige Leistungsdruck bei vielen Menschen zu einer permanenten Furcht, abgehängt zu werden. Bis vor Kurzem machte man an einer Haltestelle einfach eine Pause, bis der Bus kam. Heute drängt selbst dann die Angst, Informationen und den sozialen Anschluss zu verpassen. Gerade Jugendliche können sich davor kaum schützen.

 

Kinder brauchen Wartezeiten

Eltern geben diesen Stress oft an ihren Nachwuchs weiter. Die Heranwachsenden werden durch eine erwachsene Logik bestimmt: Zielorientiert möchte man ihre Zeit optimal ausnutzen. Doch besonders für Kinder wäre es wichtig, auch mal auf etwas warten zu müssen. Entsteht dabei vielleicht sogar Langeweile: umso besser! Denn Kinder füllen Langeweile automatisch aus: Aus Langeweile entsteht vielfach Kreativität.

 

Wie Heranwachsende warten lernen

Wer seinem Nachwuchs ein bestimmtes Verhalten aber bloss vorschreiben möchte, kommt nicht weit. Kinder und Jugendliche lernen primär durch Vorbilder. So sollte man ihnen für die nähere oder fernere Zukunft nichts versprechen, was man später nicht einhalten kann. Ansonsten verlieren sie bald das Vertrauen, dass sich das Warten lohnt. Zudem hilft es, wenn Erwachsene zeigen, dass sie sich selbst nicht während jeder freien Minute ablenken müssen.

Das Schöne am Warten

Früher hat einen das Leben oft gezwungen, auf etwas zu warten. Heute können wir viele unserer Wünsche sofort erfüllen. Doch weil wir immer seltener warten müssen, sind wir zunehmend übersättigt. Gerade vor Feiertagen und zusammen mit Kindern und Jugendlichen sollten wir uns darum neu bewusst werden, dass man das Warten sogar geniessen kann – im vorfreudigen Wissen auf das Schöne, das bald folgt. Denn auch Wartezeit ist Lebenszeit. Und wer zu warten vermag, kann die Belohnung danach umso mehr auskosten. Ganz so, als wären aus einem Marshmallow plötzlich zwei geworden.

 

Konkrete Tipps für jedes Alter

Kleinkind

Man kennt die Situation: Das Kleinkind sieht an der Kasse Süssigkeiten und will diese sofort – auf ein Nein reagiert es mit Trotz. Für Erwachsene ist die Versuchung gross, sich in dieser Situation für einen Franken Ruhe zu erkaufen. Damit tun wir uns aber keinen Gefallen. Das Kind merkt sich diesen «Erfolg» und wird beim nächsten Mal noch vehementer auf seinen Wünschen bestehen.

Wie könnte man stattdessen vorgehen?

  1. Verständnis äussern für die Enttäuschung des Kindes.
  2. Eine Alternative mit einem kleinen Bedürfnisaufschub anbieten: Hier kaufe ich dir nichts, aber zu Hause essen wir zusammen ein Brötli mit Schoggi.

Schulalter

Eltern hören oft von ihren Kindern, dass eine Freundin oder ein Freund ein Handy oder irgendetwas anderes bekommen hat und sie nun subito auch ein eigenes wollen.

Wie kann man reagieren?

Mit dem Kind über Wünsche sprechen: Auch Eltern können sich nicht jeden Wunsch sofort erfüllen. Vielleicht muss man zuerst einige Zeit Geld sparen. Machen sie gemeinsam mit ihrem Kind einen Plan, wie es auf den Wunsch hin sparen kann.

Zentral ist, dass Erwachsene für Kinder verlässlich sind. Wenn Versprechen nicht eingehalten werden – und seien sie noch so klein – verlieren Heranwachsende das Vertrauen, dass sich Geduld lohnt.

Minitheater Hannibal erzählt das Conci-Märli

Zurücklehnen und geniessen – das Minitheater Hannibal erzählt das «Conci-Märli»

Wie wir in unserem Blog einleitend erwähnt haben, ist unser Leben voll mit kürzeren und längeren Wartezeiten. Mit unserem Conci-Märli können wir einer solchen Zeit des Wartens entgegenwirken.  Mit viel Witz erzählt das Minitheater Hannibal in drei Teilen die spannende Geschichte von unserem Maskottchen Conci und den Zwillingen Laura und Laurin. Ein Märchen-Spass für Gross und Klein!